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Diskussionsbeitrag in der Fachzeitschrift Aqua Planta:

Erfahrungen zum Thema Filter und Wasser im Pflanzenaqarium


Angeregt durch den Diskussionsvorschlag Herrn Mierendorfs in Aqua Planta 3/93 möchte ich hier meine Erfahrungen zum Thema Filter und Wasser im Aquarium schildern.

In meinen Anfangsjahren als Aquarianer hatte ich große Probleme mit dem Pflanzenwuchs. Damals benutzte ich Schwamminnenfilter und starke Durchlüftung. Als ich erfuhr, daß ich auf diese Weise wegen des schwachen CO2-Gehalts nie Erfolg haben würde, schaffte ich mir einen Kies- bzw. Watte-Außenfilter an, so daß sich die Situation entspannte und wenigstens einige Arten gediehen. Irgendwo las ich dann, daß der oft wiederholte Satz, daß man Filter niemals abschalten dürfe, purer Unsinn wäre, daß es einzig auf die Regelmäßigkeit des Betriebes ankäme. So betrieb ich den Filter nur noch bei Tage. Einerseits wollte ich damit das Pumpemgeräusch im Schlafzimmer vermeiden, andererseits hatte ich bereits gelesen, daß der Filter Eisen zurückhalten würde.

An dieser Stelle sollte ich mich aus gegebenem Anlaß für die nicht vorhandenen Quellen sowie die auch weiterhin höchst lückenhaften Zahlenangaben entschuldigen. Die Quellen kann ich nicht mehr nennen, weil die Zeitschriften oft nur geliehen waren; Zahlen halte ich in der Aquaristik sozusagen aus "religiösen" Gründen für beschränkt sinnvoll.

Zahlen sind schön, wenn man duch sie zu den selben Ergebnissen kommen kann wie der, der sie propagiert. Und vor allem: Man muß wissen, auf welche es ankommt. Nun sind wir zwar heute den harten Fakten und ihrer Beeinflußbarkeit viel näher als noch vor Jahren, aber wer weiß denn nun tatsächlich, was in seinem Aquarium vorgeht? Seit ich von Prof. Bremer, einem Gewässerökologen, hören mußte, daß er nicht wisse, warum in seinen Seewasseraquarien keine höheren Algen gedeihen, habe ich jegliche Hoffnung aufgegeben, daß hier überhaupt jemand den Durchblick hat. Vielleicht wird das auch nie möglich sein, weil die Zusammenhänge viel zu komplex sind. Es schwirren schon allein so viele Ionen und sonstige Verbindungen im Leitungswasser umher, daß mal ein Gärtnermeister in einem anderen Zusammenhang sagte "... sowas geht mit H2O, aber nie mit Wasser!" Und nun stelle man sich die vielen Mikroorganismen vor, die alle irgendwelche Stoffwechselprozesse in Gang setzen, von denen zumindest wir Aquarianer nur eine vage Vorstellung haben. Zu guter Letzt kommen dann noch die Makroorganismen, die wir zwar äußerlich kennen, von denen wir aber auch wenig wissen und verstehen. Oder können Sie mir vielleicht mitteilen, wie Ihr Iridiumhaushalt im Aquarium aussieht und wie Ihre Pflanzen darauf reagieren? Wir können es auch einfacher machen und fragen, was genau Ihre Pflanzen am leicht sauren pH-Bereich mehr schätzen, ist es die Säurekapazität an sich oder allein die Eisenverfügbarkeit?

Vermutlich halten mich einige jetzt für eine wissenschaftsfeindliche Ignorantin. Damit werde ich leben müssen. Aber ganz so extrem meine ich es ja auch nicht. Ich finde es richtig, sich zu informieren, was überhaupt für Faktoren in welcher Weise von Bedeutung sein KÖNNEN, wie man sie erkennt und wie man sie beeinflußt. Und dann muß ich noch wissen, ob ich davon zu wenig, genug oder zu viel habe. Das sollte man aber besser an den Wirkungen feststellen, als an nackten Zahlen, denn ein Aquarium ist immer eine Rechnung mit einer unbekannten Zahl Variabler an unbekannten Stellen, da nützen einzelne absolut festgelegte Punkte nur begrenzt.

Ich muß wissen, WODURCH der Nitratgehalt steigt und daß er im Aquarium ohnehin nicht zu niedrig zu halten ist.

Ich muß SEHEN, ob mein Sauerstoffgehalt sich zwischen "Viel genug" für die Fische und "Wenig genug" für die Pflanzen bewegt. Wie hoch die empfohlenen Werte sind, hat mich noch nie interessiert.

Ich muß daran DENKEN, daß der wichtigste lebende Faktor im Aquarium alle die Insassen sind, die ich auch unter dem Mikroskop nie kennenlerne; von denen ich also nur spekulieren kann, was genau sie zum Gedeihen brauchen.

Letztere beiden Faktoren sind das, was ich als die "religiösen" oder "spiritistischen" 50% der Aquaristik bezeichnen, die manchmal funktionieren und manchmal nicht. Und zu guter Letzt kommt noch hinzu, daß sich neuerdings auch seriöse Institute mit der Frage befassen, ob Pflanzen auf gutes Zureden nicht vielleicht doch reagieren. Der bereits oben zitierte Gärtner faßt seine sehr erfolgreiche berufliche Bilanz mit den Worten zusammen: "Es gibt nur ein Wunder und das ist, wenn sie wachsen. Alles andere ist normal." Halten Sie von mir, was sie wollen, aber seit ich das verinnerlicht habe, habe ich Erfolg.

Also um nun zum Thema, dem Filter im Aquarium, zurückzukommen: Als ich meinen Außenfilter nicht mehr durchgängig betrieb, nahm der Pflanzenwuchs zu. Dadurch ermuntert, schaffte ich ihn ganz ab und schwöre seitdem auf absolut stehendes Wasser. Selbst eine Gitterpflanze konnte ich darin vom Sämling zum 60-cm-Exemplar heranziehen, bis sie dann (vermutlich) den Umzug in eine warme Neubauwohnung nicht vertrug. Auch ein 280-l-Becken mit starkem Pflanzenwuchs und mittlerem Fischbesatz betreibe ich ohne Filter, hier allerdings mit gewissen Nachteilen. Für die Verhältnisse von Pflanzenaquarien habe ich immer ziemlich viele Fische, weil ich damit bessere Efahrungen gemacht habe. Dies ist die Schrotschuß-Methode: Viele und schnell ablaufende Prozesse bieten am ehesten die Gewähr dafür, daß die richtigen Werte und Prozesse dabei sind und die schädlichen nicht lange anhalten (die bewußte religiöse Komponente...). Und die vielen Fische erzeugen viel Mulm, den ich in Grenzen auch haben will. Allerdings setzt der sich dann auch in die CO2-Spirale, was ich manchmal erst merke, wenn sie ganz verstopft ist und allgemeiner Mangel AN DEN PFLANZEN ABZULESEN ist. Wie ich dem nun abhelfe, weiß ich noch nicht. Aber da ein Filter aus Platzgründen ohnehin nicht möglich ist, wird es wohl beim mühseligen Spiralenreinigen und gelegentlichen Ausfallerscheinungen im CO2-Gehalt bleiben müssen.

Ansonsten freue ich mich auf konstruktiven Widerspruch und Verbesserungsvorschläge Ihrerseits.


(1994)

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