Der ptolemäische Tempel von Esna ist Chnum, Neith und Satet geweiht und rund 1000 Jahre jünger als die Bauten von Luxor und Theben. Es war die Zeit der griechischen Fremdherrschaft der Ptolemäer bis in die Römische Herrschaft hinein. Als der Tempel aufgegeben wurde, haben ihn Wüstensand und Nilschlamm schnell unter sich begraben, so dass nur noch das Tempeldach herausragte. Die Stadt wuchs um ihn herum auf den Ablagerungen, so dass sich der Eingang des Tempels heute 9 m unter dem Straßenpflaster befindet. Die Säulenhalle ist unter dem Sand sehr gut erhalten geblieben, aber die weiteren Teile des Tempels werden wahrscheinlich nie ausgegraben werden, da auf ihnen wichtige Teile der Stadt stehen. Esna (auch Isna genannt) ist angeblich eine sehr sehenswerte Stadt, aber die Kreuzfahrschiffe zeigen nur kurz den Tempel und hetzen dann weiter - sofern sie überhaupt stoppen.
Dank des Sandes ist die Säulenhalle bemerkenswert gut erhalten. Sie wirkt ungewohnt dunkel, da auch ihre astronomische Decke vollständig erhalten ist. Dort darf man fotografieren, aber brauchbare Fotos gelingen nur mit sehr ruhiger Hand.
Das Bilderprogramm wirkt vertraut, aber die Texte geben den Experten Rätsel auf. Einige davon zeigen Hieroglyphen, die unleserlich sind bzw. deren Bedeutung unbekannt ist. Sie könnten absichtlich kryptographisch abgefasst sein, es wäre aber auch möglich, dass wirklich hieroglyphenkundige Künstler mittlerweile selten geworden waren. Eine Hymne an Chnum besteht aus ganz bemerkenswerten Zeichen, die nur aus Krokodilen und Widdern bestehen.
Beeindruckend an Esna sind vor allem auch die erdigen Farben des Tempels. Sie mögen sich im Laufe der Zeit verändert haben, jedenfalls erinnern sie nicht an die - wo sie erhalten sind - ausgesprochen strahlenden Farben der Tempel und Gräber von Theben.
Man sieht hier sehr gut den einzigen auffälligen Unterschied in der Kunst zwischen diesem Tempel und denen, die Tausend und mehr Jahre älter sind: die Kapitelle. Es handelt sich hier um Palmblattkapitelle, die nicht uniform sind, sondern unterschiedlich. Schat man genau hin, klettern in einigen sogar Heuschrecken herum.
Die wesentlichen Schäden hier wurden verursacht durch Fledermauskot, der alle paar Jahre entfernt werden muss und vor allem das ausbleibende Nilhochwasser. Früher standen die Gebäude jedes Jahr einige Monate mehr oder weniger im Wasser, das hat ihnen nicht geschadet. Heute versalzt das Grundwasser und das Salz zerfrißt die steinernen Bauten. Es gibt Fachleute die davon ausgehen, dass der Staat Ägypten durch die ausbleibenden Überschwemmungen mehr Schaden erleidet als er mit den Fluten hätte.
Wo die Wanddekoration gut erhalten ist, findet man vertraute Motive: Der Pharao beim Ehren diverser Gottheiten, diverse Gottheiten beim Spenden von Leben und Ehre für den Pharao. Die Figuren sind körperlicher geworden, aber die frühere Eleganz der Darstellungen ging dabei verloren, finde ich.
Auf dem Bild unten opfert der Pharao Maat und Sachmet.
Zwei Szenen, die mir auffielen. Oben sieht man Fische und Vögel gefangen in einem Lasso. Mein Buch verriet mir später, dass dieses Lasso vom römischen Kaiser Commodus geführt wurde, den ich leider nicht mitfotografiert habe. Er muss wohl vollkommen als Pharao dargestellt worden sein, sonst wäre mir das aufgefallen und ich hätte ihn nicht schmählich abgeschnitten. Aber hier sieht man sehr schön den Bezug zur Königskartusche, die eigentlich ein Seil ist und teilweise auch als Symbol der bindenden Kraft des Pharaos interpretiert wird.
Die Darstellung links habe ich sonst nirgends so gesehen. Dieses Kälbchen soll wohl niedlich und sympathisch sein, trotzdem wird es anscheinend abgestochen, vielleicht als Opfer. Eine Erklärung hierfür habe ich nicht.
Auf dem Bild unten wird der König von Thot und Harsiese mit dem Wasser des Lebens übergossen.
Nachdem der Tempel besichtigt worden ist, gehts zurück auf das Schiff - durch die Verkaufsstraße, wo die Händler aber weniger ätzend sind als an manch anderem Ort.