Eingang des Nubischen Museums Assuan

Ich wollte es sehen, aber eigentlich hatte ich mir vom Nubischen Museum nicht viel versprochen. Ich konnte mir nicht viel darunter vorstellen - wie auch unter nubischer Kultur und Geschichte. Für mich war es halt das südliche Anhängsel Ägyptens, das in erster Linie durch seine Goldminen wichtig war. Und: es liegt praktisch vor der Tür meines Hotels.

Saal im Nubischen Museum

In der Tat ist das Museum der Versuch einer späten Wiedergutmachung des Staates Ägypten an das Volk der Nubier. Denn das Land dieses Volkes existiert nicht mehr, es wurde versenkt in den Fluten des Assuan-Stausees, von dem nicht einmal ganz sicher ist, ob er wirklich wirtschaftlich nützlich ist - kulturell ist er es sowieso nicht. Die Bewohner Nubiens wurden umgesiedelt an flussabwärts gelegene Abschnitte des Nils und scheinen damit auch gut abgefunden zu sein. Aber das alte Kulturland mit allen Schätzen und Schönheiten ist versenkt und wird so nie wieder erstehen. Ägypten hat seinerzeit so getan, als wäre der Staudammbau ein Naturereignis: gebaut wurde er so oder so und an den Rest der Welt wurde appelliert, doch um Himmels Willen die Kunstschätze zu sichern, da könne doch die Zivilisation nicht zusehen. Ähnlich merkwürdige Standpunkte vertritt Ägypten gern hinsichtlich seiner Altertümer - häufig erfolgreich. Und auch viele nubische Schätze wurden von der UNESCO und verschiedenen Ländern teils versetzt, teils aufgenommen und dokumentiert. Dieses Museum, ausgekleidet in den berühmten königlichen Rosengranit aus Assuan, würdigt nun endlich angemessen das Land, die geretteten und ertränkten Kunstschätze.

Denkmale am Nassersee

Ein Modell des Nassersees mit den geretteten Tempeln und Gräbern. Am spektakulärsten davon sicherlich Abu Simbel, dessen riesige Statuen und angeschlossenen Tempel ca. 30 m nach oben versetzt wurden. Unten ein Foto des Originalstandortes, bevor er abgetragen wurde. Einen guten Teil der geretteten Tempel konnte ich in den kommenden Tagen besichtigen.

Abu Simbel vor der Umsetzung

Abu Simbel vor der Umsetzung.

Festung Buhen

Ein paar teils gut erhaltene Tempel wurden gerettet, aber viele, entdeckte und unentdeckte Schätze, wurden geflutet. Zum Beispiel die mächtige Festung Buhen, die jahrhundertelang die nubischen Goldlieferungen nach Ägypten schützte. Vieles wäre noch in der Stadt und der Festung zu entdecken gewesen, manches wurde gesichert. Doch der Erkenntnisfortschritt, der mit neueren Methoden erzielt werden könnte, kommt zu spät. Das mächtige Buhen liegt auf dem Grund des Sees und wird langsam von Sedimenten verschüttet. Uns bleibt nur das Museumsmodell der vor ca. 4000 Jahren gegründeten Festung.

Ramses II.

Ein sehr bekannter Pharao hat in auch in Nubien intensive Bautätigkeit entfaltet: Ramses II.. Nun ist an seiner Bautätigkeit mehr die Masse als die Klasse bemerkenswert, dennoch verdankt ihm Nubien sein sicher beeindruckendstes Bauwerk: Abu Simbel. Es ist deshalb nur angemessen, seiner ca. 5 m hohen Statue eine zentrale Statue im Museum einzuräumen.

Ba-Seele

Diese kleine Statue stellt etwas dar, das in vielen anderen Kulturen nicht dargestellt wird: eine Seele, genauer eine der 3 dem Menschen gegebenen Seelen: die Ba-Seele. Die Ba-Seele überlebt den Körper, wie es sich für richtige Seelen gehört, aber sie ist deshalb nicht anspruchslos. Sie besucht ihren ehemaligen Körper und ist von ihm abhängig, sie will ernährt und gepflegt werden, wenn sie nach ihren Flügen über die Welt wieder zurückkehrt. Wahrscheinlich ist sie also von den jahreszeitlichen Vogelzügen inspiriert worden. Jedenfalls verdanken wir ihrer Zuwendungsbedürftigkeit den umfangreichen Totenkult und die Einbalsamierung. Gäbe es sie nicht, würden wir viel weniger über die alten Ägypter erfahren haben. Ein Grund also, ihr dankbar zu sein und vielleicht doch mal wieder etwas Wasser und Blumen rauszustellen...

Krone eines Königs von Ballana

Auch ein Teil, das gerettet wurde: eine Krone aus einem Grab bei Ballana. Es wird vermutet, dass es sich hier um die Gräber der Könige von Nobatia handelt. Auch hier wird es keine neueren Erkenntnisse mehr geben.

koptische Malerei in Nubien

Ein Aspekt, den man heute nicht so leicht vermutet: alte Zeugen des Christentums, koptische Kunst, mitten in einem Land, das heute ganz überwiegend muslimisch ist. In der Tat hat sich im südlichen Teil Ägyptens bis heute deutlich mehr lebendiges Christentum erhalten als weiter im Norden. In Assuan habe ich mehr unverschleierte, selbstbewußte Frauen gesehen als auf den anderen Teilen der Reise.

Volkskunstverkauf im Museum

Am Ende meines Museumsrundganges war ich tief beeindruckt. Ich habe die Würde und Errungenschaften eines versunkenen Landes kennengelernt. Woran ich mich noch erfreuen sollte, war eine sehr aktuelle, lebensnahe Kultur. Ein paar Frauen, die vielleicht eine Kooperative oder ein Hausfrauenclub sind, haben in einer Ecke des Museums ihre Tische aufgebaut und verkaufen Volkskunst, in erster Linie Schmuck und Stickereien aus Glasperlen. Es war sehr erfrischend dort einzukaufen, schon deshalb, weil es dort nicht die aufdringliche Feilscherei der Touristenläden gibt, sondern einfach das stille Einverständnis von Frauen unter sich. Wir haben Geld gewechselt, ich habe einiges gekauft, die Preise waren vollkommen in Ordnung und sie waren Festpreise. Eine ältere Dame wurde von ihren Kolleginnen zurechtgewiesen, weil ihre Preise nach ihrer Ansicht zu hoch waren. Ich wurde beraten, aber nicht beschwatzt, es hat einfach Spaß gemacht. Hier muss man kaufen, nicht auf der Hauptstraße, wo die Händer wie Schmeißfliegen herumschwirren.