Deir el Bahari

Weit offen zum Nil und mit dem Rücken zum Tal der Könige baute Hatschepsut ihren Tempel der Millionen Jahre, der wie die ihrer Vorgänger und Nachfolger ihr Andenken über Millionen von Jahren aufrecht erhalten sollte: das Wunder der Wunder - djeser djeseru - in Deir el Bahari.
Ganz im Gegensatz zu den sonst ummauerten ägyptischen Tempelbauten liegt er weit offen zum Niltal, jeder kann ihn sehen, jeder besuchen. Derzeit dann nicht mehr die gläubige Bevölkerung, sondern die Touristenmassen aus aller Welt. Und vielleicht erfahren die dann auch noch, dass das Grab mit dem höhlenartigen Eingang (im Bild unten) für Senenmut, den Architekten der Anlage, gedacht war. Senenmut war außerdem auch Erzieher der Prinzessin Neferu-Re und möglicherweise auch Liebhaber der jung verwitweten Hatschepsut.

Maatkare Hatschepsut

Hatschepsut ist der Geburtsname der Regentin, die nach dem frühen Tod ihres Ehemannes Thutmosis II. die Regentschaft für den ca. vierjährigen Thutmosis III. übernahm. Ungefähr 20 Jahre lenkte sie die Geschicke des Landes, bis ihr Stiefsohn übernahm und einer der wichtigsten Pharaonen überhaupt wurde.

Die Jahre der Regentschaft und die vielen Zerstörungen der Monumente, Kartuschen und Abbildungen Hatschepsuts haben noch vor Jahren dazu geführt, dass sie als machtgierige Usurpatorin betrachtet wurde, die den armen Thutmosis so viele Jahre von seinem Thron getrennt habe, was dieser dann nach seiner Machtübernahme mit umfangreichen Zerstörungen beantwortet habe. Was dabei geflissentlich übersehen wurde ist, dass es nicht schwierig gewesen sein kann, sich eines kleinen Kindes zu entledigen, wenn man denn wollte. Dies geschah aber nicht. Im Gegenteil wurde Thutmosis auch im Kindesalter schon auf den Tempelwänden als erwachsener, gleichberechtiger Mann dargestellt, nahm immer offizielle Funktionen wahr und bekam die Ausbildung, die dann zu seiner späteren Größe führte. Es gibt auch keine Beweise, dass die Zerstörungen von ihm veranlasst wurden, vielmehr können sie - wenn überhaupt - nur in seinen späten Regierungsjahren geschehen sein. Frau Desroche-Noblecourt vermutet, dass sie überhaupt nicht aus dem Königshaus, sondern von der etwas ins politische Abseits gedrängten Osiris-Priesterschaft veranlasst wurden. Was immer sich hier vielleicht noch herausstellen wird, die Räuberpistole vom Machtkampf und abgrundtiefen Hass im Palast klingt auf jeden Fall viel abenteuerlicher und wird wahrscheinlich noch jahrelang in den Tempelführungen wiederholt werden. Auch wenn sie dreimal nicht wahr ist.

Sicher ist eins: in der Zeit der Ko-Regentschaft von Hatschepsut, die sich den Thronnamen Maat-ka-re zulegte, und Thutmosis III., dessen Thronname auf Cheper-ka-re lautet, hatten die Schreiber bei allen offiziellen Anlässen beide Namen jeweils noch mit dem Titel "König von Ober- und Unterägypten" zu schreiben - und das in Hieroglyphen. Im Laufe der ca. 20 Jahre war das eine Menge Schreibarbeit, die sie sich irgendwann ersparen wollten. Deshalb hörten sie auf die Namen zu referieren und schrieben kurz: Die Mitglieder des Königshauses. Das ägyptische Wort dafür lautet Per aa und wurde zur Grundlage des Titels, den wir heute für alle ägyptischen Herrscher verwenden: Pharao. Aber in der Tat wurde das Wort erst für Hatschepsut und Thutmosis III. erfunden - als die meisten ägyptischen Könige längst in ihr Grab gesunken waren.

Zerstörungen in Deir el BahariTypisches Beispiel der Zerstörungen: Die ehemals offensichtlich symmetrisch über der Tür angebrachten Titel von Hatschepsut Maat-ka-re und Thutmosis Cheper-men-re. Die Seite Hatschepsuts ist sorgfältig weggemeißelt worden.

Empfang der ägyptischen Delegation in PuntIm nördlichen Säulengang des Tempels findet man u.a. die Berichte zum größten Erfolg von Hatschepsuts Regentschaft: der Expedition nach Punt. Wo genau das liegt, kann noch immer nur spekuliert werden, sicher ist nur, dass es sich um einen Teil Schwarzafrikas handelt. Manche glauben an eine Seereise um das Horn von Afrika, andere glauben an eine Fahrt weit den Nil hinauf jenseits Nubiens. Hauptzweck der Reise war die friedliche Beschaffung von Weihrauch und anderen Importgütern, daneben die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit dem wichtigen Handelspartner. Die Reise wurde lange vorbereitet, da ein großer Troß reiste und die Nachbarn vorsorglich von den rein friedlichen Absichten überzeugt werden sollten. Damit das dann auch bei Ankunft in Punt klar war, wurde als erstes ein großes Bankett für die Gastgeber veranstaltet, bevor dann beiderseits Geschenke ausgetauscht wurden. Irgendwann brachen die Schiffe dann wieder auf in die Heimat, beladen mit Schätzen, exotischen Tieren und jungen Männern aus Punt, die an den Hof des neuen Partners eingeladen waren. Wer genau hinsieht, findet auf den Reliefs die Abbildungen einer Giraffe, zweier Geparden und diverser Affen, die frei auf den Schiffen herumturnen. Von den Geparden ist bekannt, dass sie noch lange danach als Haustiere im Königspalast gehalten wurden. Wirklich überwältigt war die Königin aber von dem Schatz an Weihrauch, den ihre Schiffe mitbrachten. Mehrere Würdenträger berichten in ihren Grabinschriften, dass sie Zeuge des Moments waren, als Hatschepsut ihre offizielle Würde vergaß und begeistert ihre Arme versenkte in den Bottichen mit Weihrauchharz. Auch die Weihrauchberge und die mitgebrachten Baumsetzlinge kann man an den restaurierten Tempelmauern noch besichtigen. Einige der Darstellungen sind allerdings so wertvoll, dass sie durch Kopien ersetzt und die Originale ins Museum nach Kairo gebracht wurden. Junge Männer aus Punt am ägyptischen Königshof

bemaltes Relief im Tempel der HatschepsutDer Erhaltungszustand der Kunstwerke am Hatschepsut-Tempel ist ganz unterschiedlich. Stellenweise sind sie völlig zerstört, teilweise wurden sie restauriert. Häufig wurde dabei der vorherige Zerstörungsgrad sichtbar gelassen. Das ist die moderne Art der Restaurierung, die mir auch sehr gefällt. Es ist nicht nötig so zu tun, als wäre die Welt immer schön und perfekt gewesen. Zerstörtes ist und bleibt zerstört, die beste Restaurierung ändert nichts daran. Daran kann nicht oft genug erinnert werden. Auch hier ist zwischen den seit 3500 Jahren leuchtend gebliebenen Farben der Reliefs ein Teil nicht zu retten gewesen.

Opfergaben für die GötterEin Rind und diverses Geflügel werden den Göttern geopfert. Diese Opfergaben ließ man jedoch nicht verrotten. Sie wurden vielmehr den Göttern angeboten, was man in dem wohl passenderen englischen Wort "offerings" wiederfindet. Die Götter nahmen sich davon einen göttlichen Teil, was sie übrig ließen, stand den Menschen wieder zur Verfügung.

Wassergeflügel am Tempel der HatschepsutEine Darstellung etwas abseits auf der Nordseite. Die vorhanden gewesene Farbe ist verwittert, aber die Reliefs diverser Vögel sind großartig erhalten. Die beiden schwimmenden Vögel sind Säger, wahrscheinlich Gänsesäger, die damals vielleicht als Wintergäste aus Europa kamen. Rechts hat wahrscheinlich ein Mittelreiher gerade die nächste Mahlzeit gefangen. Ganz ähnliche Darstellungen hat auch Hatschepsuts Stiefsohn Thutmosis III. im sogenannten zoologischen oder auch botanischen Garten im Tempel von Karnak hinterlassen.

Blick in das AllerheiligsteVerschiedene Kapellen und Nebengebäude des Tempels sind derzeit nicht zu besichtigen, wie die Anubis-Kapelle oder das Amun-Heiligtum. Großenteils zu besichtigen ist aber die Hathorkapelle mit den charakteristischen Säulenkapitellen. An den Wänden finden sich verschiedene Darstellungen von Hathor als Kuh, wie sie Hatschepsut ihre Gunst erweist. Im Bild unten scheint die auf dem Foto schlecht lesbare Namenskartusche Thutmosis III. als Gegenstand der Liebkosung zu bezeichnen. Allerdings ist an diversen Stellen der eine Name durch den anderen ersetzt worden, vielleicht auch hier.

Derzeit nur von außen zu besichtigen ist das Allerheiligste, bei dem man den Schmuck nur aus der Entfernung bewundern kann. Im unzugänglichen Teil befindet sich unter anderem die einzig unzerstörte Darstellung Hatschepsuts in Deir el Bahari und eine Statue des Senenmut.

Hathorrelief im Hatschepsuttempel

Ganz so offen wie heutzutage war der Blick vom Tempel in das Tal zu Hatschepsuts Zeiten nicht. Hier waren die Weihrauchbäume gepflanzt, die die Expedition so glücklich aus Punt mitgebracht hatte. Am Eingang wird ein alter Stumpf gezeigt, der angeblich noch davon übrig geblieben ist. Das ist Flunkerei, der ist so alt nicht. Dennoch sollte man sich vor dem Tempel vor 3500 Jahren ein kleines Weihrauchwäldchen vorstellen, wenn man dem Orignaleindruck näher kommen möchte.

Ausblick vom Hatschepsuttempel

Mehr über Hatschepsut kann man in ihrer Biografie lesen.