Blick über die Thebanischen Berge nach Deir El Medina

In Reiseführern werden die Wege gelegentlich erwähnt, allerdings mit Zeitangaben, die mich sehr daran zweifeln lassen, ob die Autoren das jemals nachgeprüft haben. In der Tat dauert der Weg nicht die angegebenen 3 Stunden, sondern ungefähr eine Stunde, wenn man sich viel Zeit lässt vielleicht auch 90 Minuten, aber länger lässt sich das nicht hinauszögern. Am Anfang und am Ende ist er steil, dazwischen praktisch gerade. Ich habe ihn einmal bei 31 Grad im nicht vorhandenen Schatten unternommen, dabei ist mir auch ein älterer, gehbehinderter und übergewichtiger Paläontologe begegnet, der im Kalkstein nach Muscheln suchte. Und auch er schaffte das, wenn auch langsam. Es gibt also wenig Grund zur Besorgnis für normal fitte Menschen, sofern die denn Sonnenschutz dabei haben. Ein paar Tage später bin ich den Weg dann noch einmal gegangen: von Deir el Medina ins Tal der Könige, von dort ins Westtal und zurück mit Abstecher nach Deir el Bahari. Und es war keine große Leistung, auch wenn mir die Einheimischen entsetzt versicherten, schon eine Tour wäre nicht menschenmöglich.

el-Gourna

Grab der Inhapi
Der Weg in Richtung des Tals der Könige beginnt bei Deir el Medina und kann hier wie nirgends wirklich verfehlt werden: einfach immer bergauf, vorbei an einer kleinen Polizeiwache, dann rechts lang. Rechterhand liegt u.a. el-Gourna, der Hügel, in dem sich diverse hohe Staatsdiener ihre Gräber bauen ließen. Die zugänglichen weisen allerdings alle in die andere Richtung. Trotzdem kann man sich gut vorstellen, dass es hier noch einige Überraschungen zu finden gibt, die vielleicht gänzlich verborgen sind oder auch als Familiengeheimnis und "Schatz für schlechte Zeiten" einem sehr begrenzten Personenkreis bekannt sind...

Nur von weitem zu sehen und für Normalmenschen völlig unzugänglich ist das Grab der Inhapi, Ehefrau des Seqenenre, dessen Sohn Ahmose das Neue Reich begründete und dessen Mumie heute in einem Raum des Luxor-Museums liegt. Das allein wäre jetzt nicht besonders erwähnenswert, erwähnenswert ist die Lage des Grabes, die sich auf dem Foto nur schwer erkennen lässt: Es befindet sich ungefähr in der Mitte einer steil aufragenden Felswand, die weit und breit keine Absätze zeigt. Wie man dorthin einen steinernen Sarkophag mit Mumie sowie diverse Grabbeigaben bringen kann, ist mehr als rätselhaft. Aber selbstverständlich wurde auch dieses Grab irgendwann im Laufe der Zeiten geplündert.

Nach einer Weile gabelt sich der Weg: rechts geht es in Richtung Deir el Bahari, links vorbei an einer alten Siedlung ins Tal der Könige.

Arbeiterdorf im Tal der Könige

Dieses Dorf liegt hier nicht zufällig: Hier wohnten die Arbeiter vom Tal der Könige, wenn es mit der Zeit mal wieder knapp war und der Rest des Weges nach Deir el-Medina gespart werden sollte. Einige Scherben liegen hier noch herum, aber 3500 Jahre sind die wahrscheinlich nicht alt.

Felsen im Westtal

Gleich am Arbeiterdorf geht es bergab und man betritt das Tal der Könige. Kommt man aus dieser Richtung, muss man erst einmal durch zum Ticketschalter, sonst kommt man in kein Grab hinein. Da bietet es sich doch an, gleich an dem Schalter eine Karte für das Grab des Eje im Westtal zu kaufen, dann muss man nicht gleich wieder zurück, sondern nur ca. 10 min weiter auf ebener Straße. Die führt vorbei an malerischen Felsen und dem leider geschlossenen Grab von Amenophis III.

Im Westtal

Nach der Besichtigung des Grabes ist der Tag noch jung und da die Straße zum Tal der Könige nicht besonders attraktiv ist, bietet sich eine Biege wieder über die Berge nach Deir el Bahari an - vielleicht, nachdem man sich noch drei Gräber im Haupttal angesehen hat.

Blick nach Luxor über den Tempel der Hatschepsut

Kolkrabe
Vom Bergrücken aus kann man den Tempel selbst hier noch nicht sehen, nur seinen Parkplatz, hat aber einen schönen Blick in Richtung Luxor. Und den Weg auf dem Rücken unten, den gehen wir nachher auch noch. Sicher ist jedenfalls, dass wir beim Abstieg zu Hatschepsuts Tempel vorbeikommen an dem Nest der Raben, die auch in den umliegenden Tempeln gesichtet werden. Es gibt hier die Gelegenheit, sich kurz im Schatten einen Imbiß zu gönnen, aber jetzt noch das "Wunder der Wunder" zu besichtigen, würde wirklich zum Mammutprogramm ausarten. Da kommt man besser einmal mit dem Fahrrad oder dem Auto her. Deshalb geht es jetzt daran vorbei, wieder einen kleinen Bergrücken hoch, von wo man auch einen erstaunlichen Blick auf die Tempel von Hatschepsut und Mentuhotep hat.

Die Tempelanlagen von Mentuhotep und Hatschepsut

Von Hatschepsuts Tempel aus gesehen, scheint die ältere Anlage des Mentuhotep nur aus Geröll und Schutt zu bestehen. Schaut man von dieser Seite, sieht er geradezu schachbrettmäßig ordentlich zu sein. Es ist mit Abstand die älteste bauliche Anlage in Theben-West und es wäre schön, wenn sie eines Tages der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnte.

Cachette von Deir el-BahariNur wegen der Aussicht muss man hier aber nicht herumklettern. Es gibt hier noch einen Ort, an dem es nicht viel zu sehen gibt, dessen Bedeutung über 3000 Jahre aber kaum überschätzt werden kann: Die Cachette von Deir el Bahari, DIE Cachette.

Nach dem Ende des Neuen Reiches begann die 3. Zwischenzeit, eine unruhige Periode, in der sich die Pharaonen nicht mehr in der Lage sahen, die Gräber ihrer Amtsvorgänger gegen Plünderei zu schützen. Es gibt auch Anzeichen, dass einige Könige selbst meinten, für das Gold bessere Verwendung zu haben als es im Berg zu lagern. Wie dem auch sei, Scheschonq I. sah sich jedenfalls genötigt, drastische Maßnahmen zu ergreifen. In einer anscheinend streng geheim gehaltenen Aktion ließ er die Mumien diverser Könige, Königinnen und Würdenträger des neuen Reiches aus ihren Gräbern entfernen und mit einigen Beigaben, die noch übrig waren, an diesem geheimen Ort unterbringen: in ein Grab, das eigentlich für Pinudjem II., Hohepriester des Amun in Theben, angelegt worden war. Unter anderem ruhten hier Ahmose I., Thutmosis III., Sethos I. und Ramses II.. 3000 Jahre haben sie hier in Frieden geruht, bis sie dann doch noch durch einen Zufall und eine entlaufene Ziege entdeckt wurden. Wahrscheinlich hat nur dieses Versteck ihre sterblichen Hüllen, die in alle Ewigkeit weiterexistieren sollten, vor Zerstörung und Schändung bewahrt.

Blick in die CachetteHeute ruhen die Mumien der Könige in den Museen von Kairo und Luxor und dem metertiefen senkrechten Schacht sieht man nichts mehr an. Nur ein paar Felsschwalben haben irgendwo in seiner Tiefe ihre Nester gebaut und füllen ihn mit neuem und sehr jungem Leben.